In einem medizinischen Notfall muss nicht nur rasch gehandelt, sondern gleichzeitig auch der Patientenwille berücksichtigt werden. Um dies sicherzustellen, existieren verschiedene Formulare, meist unter dem Namen «Ärztliche Notfallanordnung». Eine nationale Arbeitsgruppe hat die Bedeutung dieser Formulare untersucht und schlägt ein einheitliches GVP-Notfallformular für die ganze Schweiz vor. Das Konzept dazu steht bis Ende Februar 2026 in der öffentlichen Anhörung.
Das gebräuchlichste GVP-Dokument ist die Patientenverfügung. Einige Vorlagen enthalten eine Zusammenstellung von Handlungsanweisungen für Notfallsituationen. Ist dies nicht der Fall, kann ein separates GVP-Notfallformular eine sinnvolle Ergänzung darstellen.
In der Schweiz besteht hierzu noch kein einheitliches Verständnis oder Vorgehen. Aus diesem Grund hat die nationale Arbeitsgruppe GVP eine Sub-Arbeitsgruppe eingesetzt mit dem Auftrag, die Bedeutung dieser Formulare und deren Verhältnis zu anderen GVP-Dokumenten zu klären. Ziel ist, ein schweizweit einheitliches GVP-Notfallformular einzuführen und zu verwenden, vgl. Empfehlung 11 der GVP-Roadmap.
Öffentliche Anhörung zum Konzept «GVP für Notfallsituationen»
Die Sub-Arbeitsgruppe hat sich seit Sommer 2024 vertieft mit dem Patientenwillen in Notfallsituationen auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt stehen schwer kranke oder gebrechliche Personen mit erhöhtem Risiko für plötzliche gesundheitliche Verschlechterungen, die nicht selten mit einem Verlust der Urteilsfähigkeit einhergehen. Wenn der Patientenwille schriftlich festgehalten und unmittelbar verfügbar ist, kann nach diesem gehandelt werden. Je grösser die Wahrscheinlichkeit für schwerwiegende Komplikationen oder Notfallsituationen ist, desto wichtiger wird eine vertiefte Reflexion, welche medizinischen Massnahmen gewünscht sind und welche nicht.
Die Gruppe schlägt die Erarbeitung eines schweizweit einheitlichen GVP-Notfallformulars vor. Dieses soll mit fachlicher Beratung ausgefüllt werden und kann – anders als die Patientenverfügung – auch für urteilsunfähige Personen erstellt werden. Der Ärzteschaft kommt dabei eine zentrale Rolle zu.
Die Empfehlungen sind in einem Konzept festgehalten. Dieses steht bis Ende Februar 2026 in der öffentlichen Anhörung. Alle interessierten Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen sind eingeladen, das Konzept zu prüfen und Rückmeldungen zu geben. Das Antwortformular ist ins Konzept integriert.
Das Rückmeldungsformular für die Stellungnahme bitte bis Ende Februar 2026 senden an ethics@samw.ch.
Rechtliche Aspekte
Zur Erläuterung der rechtlichen Fragen hat die SAMW ein Gutachten in Auftrag gegeben bei Prof. Dr. iur. Regina Aebi-Müller, Universität Luzern. Dabei ging es insbesondere um die rechtliche Positionierung der bereits in vielen Kantonen und Spitälern verwendeten Formulare «Ärztliche Notfallanordnung», da im Zivilgesetzbuch (ZGB) nur die GVP-Instrumente Patientenverfügung und Behandlungsplan explizit erwähnt sind.
Für die Positionierung des GVP-Formulars für Notfallsituationen bzw. vergleichbare bestehende Formulare lassen sich aus dem Gutachten folgende Erkenntnisse ableiten: Obwohl das Formular in den rechtlichen Grundlagen nicht erwähnt wird, ist es ein gültiges GVP-Dokument, das in der Behandlung berücksichtigt werden muss. Dies aus zwei Gründen: Erstens kann sich eine Patientenverfügung auf bestimmte Situationen beschränken inklusive Notfallsituationen. Zweitens besteht ein Bezug zum Behandlungsplan, der nicht nur die aktuelle medizinische Situation, sondern auch eine zu erwartende Notfallsituation abdecken muss.
Zusammensetzung der Sub-Arbeitsgruppe
Prof. Dr. med. Miodrag Filipovic, St. Gallen, Intensivmedizin, Vorsitz
lic. theol., dipl. biol. Sibylle Ackermann, Ethik, SAMW (ex officio)
Dr. med. Gabriela Bieri-Brüning, Zürich, Geriatrie/stationäre Langzeitpflege
Prof. Dr. med. Monica Escher, Genève, Palliative Care
Prof. Dr. med. Steffen Eychmüller, Bern, Palliative Care
Monica Fliedner, Bern, Palliative Care
Dr. iur. Caroline Hartmann, Bern, Recht
Isabelle Karzig-Roduner, RN, MAE, MScN, Zürich, Advance Care Planning
Prof. Dr. med. Dagmar Keller, St. Moritz, Notfallmedizin
Prof. Dr. med. Tanja Krones, Zürich, Klinische Ethik
Dr. med. Barbara Loupatatzis, Wetzikon, Advance Care Planning
Dr. med. Philippe Luchsinger, Affoltern, Hausarztmedizin
Dr. med. Marc Lüthy, Basel, Rettungsmedizin
Dr. phil. Daniela Ritzenthaler, Lausanne, Ethik
lic. iur. Michelle Salathé MAE, Basel, Ethik und Recht
Dr. med. Andrea Trippini, Lausanne, Intensivmedizin
Silke Walter, MSc Palliative Care, APN, Liestal, Pflege